13.08.2015 Lake Quinault – Elma, 99.8 km

Wir haben viel vor, die Strecke nach Elma ist weit und wir wollen nicht allzu spät auf der Strasse sein. Vielleicht ist am Morgen der Verkehr nicht so kritisch – obschon wir auch gestern nicht wirklich viel Verkehr hatten, aber eben etwas unberechenbaren. Um halb sechs stehen wir auf und um halb acht fahren wir aus dem schönen Campground raus. Bereits auf dem ersten Kilometer kommt uns ein Bus des öffentlichen Verkehrs entgegen und wir kehren sofort um. Wahrscheinlich wird dieser hier wenden und vielleicht könnte es ja sein, dass er uns mit nimmt. Grundsätzlich hat hier jeder öffentliche Bus einen Fahrradständer vorne am Bus montiert und ist verpflichtet, Radfahrer mit ihren Velos mit zu nehmen. Wie sieht es denn mit unseren Bikes aus? Die Bus-Chauffeuse schaut etwas kritisch, doch sagt sie uns, dass wir versuchen sollen die Velos vorne aufzuladen. Sie müsse jetzt schnell mal… Also nehmen wir alle Packtaschen von meinem Rad und versuchen es auf den Träger zu stellen. Doch wie vermutet sind unsere Radstände zu weit voneinander entfernt, so dass die Räder gar keinen Platz im Ständer haben. Als sie wieder zurück kommt, fragen wir, ob wir die Fahrräder nicht in den Bus nehmen könnten – es sitzt ja eh niemand drin und wir sind fast sicher, hier in diesem Urwald wird auch bis zum Schluss kaum jemand einsteigen. Doch davon hält sie nichts, entschuldigt sich vielmals, steigt ein und lässt uns stehen. Na ja, ein Versuch war’s wert.

Etwas deprimiert starten wir erneut auf unsere Strecke. Grundsätzlich halten wir ja nichts vom Verladen der Räder, wir wollen eigentlich alles selber fahren. Aber nach dem gestrigen Tag hätten wir heute nichts dagegen gehabt. Aber der Tag entwickelt sich ganz anders als gestern… Nach dem ersten Aufstieg zur Strasse 101 („one-o-one“) brausen wir mit 25 – 30 km/h mit einem sanften Gefälle, auf einem relativ breiten Seitenstreifen und mit etwas Rückenwind daher. Kilometer um Kilometer, praktisch keine Autos und Logging-Trucks und sowieso keine RV’s. Die Mannschaft ist wahrscheinlich noch am Breakfast essen. Die ersten rund 31 Kilometer bis Humptulips vergehen wie im Flug. Nach ca. 5/4 Stunden bremsen wir an dieser Kreuzung mit Tankstelle, Shop und einer Poststelle. Im Shop kaufen wir ein paar bis zu 3 Wochen haltbare Muffins, Kaffee und etwas für die Kinder zum Trinken. Auf der langen Bank vor dem Laden geniessen wir diese erste Zwischenverpflegung. Dabei hoffen wir auf einen der riesigen Pick-Up Trucks welche uns hier so oft überholen. Wir würden sofort unsere Bikes verladen – obschon wir eigentlich auf der bisherigen Fahrt richtig Spass hatten. Aber natürlich hält hier kein solches Monster von einem Fahrzeug an und nachdem wir unsere Berichte im Internet aufgeschaltet haben (endlich wieder einmal ein funktionierendes Signal) fahren wir mit eigener Muskelkraft, welche eben doch am zuverlässigsten ist, wieder los. Ein paar Kilometer später verlassen wir die immer noch ziemlich ruhige 101 und biegen in eine total verlassene, aber perfekte Strasse ein. Und nun sind wir wieder im 7. Radler-Himmel. Wunderbar ist es hier, zwar immer noch aufgeforsteter Wald links und rechts, doch wir müssen nicht alle 2 – 3 Sekunden in den Rückspiegel schauen. Wir können nebeneinander fahren, etwas plaudern und die Ruhe geniessen. Die Kinder sind in bester Laune und helfen uns gut mit. Und vermehrt sehen wir auch Häuser, welche ordentlich und gepflegt sind. Zwischendurch mal hier und da wieder ein total verwuchertes und mit zig-Autowraks zugepflastertes Anwesen. Aber alles in allem eine tolle Fahrt.

Es geht wieder vermehrt rauf und runter, doch heute macht uns und vor allem mir das nichts aus. Wie schnell sich doch meine Radlerlaune verändern kann, wenn die Bedingungen stimmen. Einen kleinen Bergpreis haben wir auch heute noch zu bezwingen, und der Sieger heisst definitv Lorin. Der hat plötzlich seine Raketen gezündet und Ariane ist auf dem gleichen Velo kaum mehr nach gekommen. Geschweige denn von Alani und mir. Nicht weniger, doch etwas ruhiger, hilft mir diesmal auch Alani und wir kommen zwar total verschwitzt, aber mit 65 Kilometern auf dem Tacho genau am Mittag auf der Höhe an. Wir sind heute wirklich richtig im Schuss. Und schon bald fahren wir im schönen und rausgeputzten Städtchen Montesano an. Im kleinen aber feinen City Park essen wir unseren Lunch und lassen unsere Beine etwas ausruhen. Nach dieser Pause fahren wir über die Main-Street aus der Stadt raus und vorbei an der Fire-Station. Wir sehen die Feuerwehr-Trucks und entscheiden uns, noch einmal kehrt zu machen. Lorin will die Trucks aus der Nähe sehen und auch für uns ist es immer wieder imposant, diese glänzenden Fahrzeuge anzuschauen. Kaum stellen wir unsere Velos vor der Station ab, kommt schon ein Feuerwehrmann aus dem Haus. Er stellt sich vor und lädt uns ein, alles zu besichtigen. Fühlt euch wie zu Hause, steigt ein, schaut an und probiert aus. Na ja, ganz wörtlich nehmen wir ihn doch nicht, aber einsteigen tun wir noch so gerne. Und Lorin steigt sogar in ein paar bereit stehende Feuerwehr-Stiefel an denen die Hosen bereits angemacht sind. Er sieht aus wie ein Clown und wir haben alle Riesenspass. Im Büro wird uns der Chief und ein anderer Mitarbeiter vorgestellt und wir schauen uns die Schlafräume und die Küche an. So richtig gemütlich haben sie es hier nicht, doch wenn man zu den 4 Feuerwehrmännern gehört, welche immer einen 24 Stunden Einsatz haben (immer nur einer aufs Mal), dann arbeitet man eben diese 24 Stunden und hat 3 Tage frei. Wieso nicht? Wir verabschieden uns, nicht ohne einige Fotos zu schiessen und fahren die letzten 15 Kilometer nach Elma. Die vergehen wie im Flug und schon stehen wir vor dem Supermarkt und kaufen mit einem ziemlichen Kohldampf ein – nicht immer die beste Voraussetzung, denn es wird natürlich viel zu viel sein. Hauptsache ein kühles Bierchen ist mit im Gepäck 😉

Kurz ausserhalb Elma finden wir den RV Park und fragen uns, ob es da wohl auch ein Plätzchen für ein Zelt hat. Denn ausser vielen, riesigen RV’s sehen wir hier keine anderen Camper. Aber natürlich haben sie einen Platz für uns, und was für einen. Ein wirklich saftig grüner Rasen, mit Ladestation für unsere Geräte und mit vielen Tischen steht bereit. Wow, die Leute hier sind so nett, schenken uns Cookies und quatschen mit uns. Ein älteres Ehepaar fragt uns, ob wir etwas brauchen, ob sie mit uns in die Stadt fahren sollen um etwas einzukaufen etc. Wir sind wieder einmal gut aufgehoben, es gefällt uns. Und vor allem können wir unsere letzte Nacht im Zelt noch einmal so richtig geniessen. Morgen geht es noch einmal früh aus den Federn, wir haben noch einmal eine 100 km Etappe, aber wir freuen uns darauf. Am Abend sehen wir unsere Freunde in Seattle, sie warten bereits auf uns. Aber zuerst essen wir noch unser letztes Camping Abendessen – wir brauchen unsere Reste auf. Kartoffelstock, getrocknete Bohnen und dazu grüner Salat, Kartoffelsalat und 4 ziemlich grosse und vor allem saftige Rindssteaks. Und alles auf unserem kleinen Benzinkocher zubereitet. Natürlich geniessen wir einen Rotwein aus Washington State und zum Dessert noch ein paar Süssigkeiten in Form von Donuts und anderem Süssgebäck. Also, morgen noch die letzte Etappe bevor wir noch ein paar Tage in Seattle geniessen werden. Unglaublich, wir sind trotz der zuerst eingefahrenen Verspätung doch noch aus eigener Muskelkraft bis hier gekommen – es wird schon klappen und wir schaffen es sicher noch bis Seattle. Bis dann und wir erzählen, falls ich dann spät am Abend noch zum Schreiben kommen, von unserer letzten Etappe.