21.08.2015 Besuch bei Freunden in Enumclaw, letzter Tag in Seattle, Heimreise

Wir sind, wie meistens vor einer langen Reise, ziemlich spät im Bett. Um genau zu sein ist es schon ziemlich früh, denn es ist nach 1.00h. Die meisten unserer Sachen sind gut verpackt, drei grosse Kartonboxen, zwei Fahrradkartons, eine ziemlich grosse Sporttasche und das Zelt – das ist unser Gepäck zum Einchecken. Zudem tragen wir je eine Fahrradtasche als Handgepäck auf uns. In den letzten Tagen haben wir noch so viele Sachen eingekauft, die Menge des Gepäcks hat sich sicher um die Hälfte vergrössert. Oje, einerseits eine harte Probe für die Kreditkarte, andererseits werden wir beim Einreisen in die Schweiz wohl auch noch mit den Zollbeamten sprechen müssen. Die wollen sicher auch noch etwas Geld von uns. Was soll’s, wir haben uns einige schöne Sachen gekauft und vor allem habe ich zum Glück wieder einmal eine längere Zeit ohne Shopping vor mir – ist nicht meine Sache.

Erst einmal erzähle ich noch von unserem zweitletzten Tag in Seattle, oder besser gesagt südlich von Seattle. Am Morgen sind wir im kleinen Garten von Alani und Dan, die Fahrräder habe ich bereits am Vortag auseinander genommen, und wir verpacken sie in die Fahrradkartons. Leider haben wir diesmal im Velogeschäft „nur normale“ Kartons erhalten. Diese sind ziemlich kurz für unsere Tandems. So schneiden wir zwei Kartons auf der Seite auf und schieben sie ineinander. Ariane und ich sind gar nicht so schlecht im Basteln dieser Kartons. Bereits nach 2 ½ Stunden ist alles fein säuberlich verpackt und vor allem gut gesichert. Es ist ziemlich kalt heute Morgen, aber das Arbeiten und der warme Kaffee hält uns warm. Dennoch bin ich froh, als ich um 10.00h unter der warmen Dusche stehe. Nicht nur froh wegen dem wärmenden Wasser, sondern auch froh darüber, dass wir die Bikes sicher verpackt haben. Wir denken, dass ihnen nicht mehr viel passieren kann und vor allem sind wir stolz über unsere schönen Pakete.

sind doch perfekt verpackt?

Die Kinder sind in der Zwischenzeit auch aufgewacht. Sie haben in den letzten Tagen nicht viel Schlaf gehabt. Am Abend ist es immer spät geworden, am Morgen sind wir auch nie spät aufgestanden. So ist es gut, dass sie heute ein bisschen ausschlafen können. Wir essen ein paar Toasts bevor wir uns mit Stephanies Auto in Richtung Süden auf den Weg machen. Heute wollen wir Freunde in Enumclaw, einem kleinen Städtchen ca. 1 Fahrstunde südlich von Seattle besuchen. Aber vorher gehen wir noch in einem riiiiiiesigen Outlet-Mall shoppen. Wenn man hier in jeden Laden möchte, dann würde man wahrscheinlich mehrere Tage dazu benötigen. Ich lasse es über mich ergehen, natürlich kaufe ich mir auch hier und da noch etwas. Aber nach guten 3 Stunden bin ich fix und fertig und will nur noch raus aus diesem Überangebot. Ich will nun endlich zu unseren Freunden, sie warten mit einem BBQ auf uns – lecker…

Wir haben Dave zusammen mit Terry, Dough und Dennis aus Yakima, vor 21 Jahren an einem für uns alle unvergesslichen Nachmittag in Las Vegas kennen gelernt. Unvergesslich, da Ariane, ich und ein anderes Päärchen aus Köniz in einem riesigen Auto (Lincoln Towncar 1989) während einem Monat durch den Südwesten der USA gefahren sind. Ich war dazumal der einzige über 21 Jahre, die drei anderen noch nicht 20 jährig. An diesem besagten Nachmittag lernten wir eben diese Freunde – zusammen waren es ca. 10 – 12, in einer Bar kennen. Drei von uns mit gefälschten ½-Tax Abos, welche sie natürlich alle über 21 machte. Unvergesslich wegen… na ja, ich gehe nun in keine Details. Auf jeden Fall haben Terry, Dough, Dennis, Dave und natürlich wir ziemlich oft über diesen sehr speziellen Nachmittag gelacht und geplaudert. Und ich weiss noch, als wir dazumal die Adressen ausgetauscht haben, wie die Amis gesagt haben: „Ok, we are changing our addresses, but we will never see you again…“. Und was ist jetzt? 21 Jahre später? Wir stehen heute bei Dave und seiner Frau Jo Ann bereits zum zweiten Mal im Haus, im 1997 und heute. Auf unserer Hochzeitsreise im 2001 haben wir beide in Seattle zu einem Nachtessen getroffen. Alte Freunde also – aber wir fühlen uns wie einen Teil ihrer Familie.

Dave und Jo Ann mit Familie

Dave hat noch immer seinen langen „Pony-Tail“, Ross-Schwanz also. Lange Haare und einen Schnauz rund um seinen Mund – letzterer hat seit dem letzten Treffen etwas mehr graue Komponenten dabei, doch seine treuherzigen Augen verraten immer noch einen gewissen Schalk und eine grosse Freundlichkeit. Er arbeitet immer noch als Waldarbeiter in einem der riesigen State Forests. Früher war er auch Smoke-Jumper, Fallschirmspringer für die Waldbrandbekämpfung. Er ist jetzt 52 jährig und versucht alles um sich in 3 Jahren pensionieren zu lassen. Jo Ann, seine Frau, ist eine so liebe und herzliche Person. Sie ist ca. 55 jährig und bereits seit 3 Jahren pensioniert. Sie hat 30 Jahre für den Staat gearbeitet und nach dieser Zeit erhält man die volle Pension – wieso also nicht pensionieren lassen? Ihre beiden Töchter erscheinen mit ihren Ehemännern und ihrem 3 jährigen Sohn resp. 1 ½ jähriger Tochter. Es gibt ein richtiges Familienfest, ein Buffet mit Wassermelone, Mais und Salat, nicht zu wenig Fleisch vom Grill und ein paar Bierchen. Wir sitzen alle ungezwungen im Rasen während wir die leckeren Sachen verspeisen. Sie haben eine riesige Freude, dass wir sie besuchen und lassen uns dies gut spüren.

Leider hat alles einmal ein Ende und wir verabschieden uns mit dem Versprechen, uns nicht zum letzten Mal gesehen zu haben. Dave und Jo Ann planen nach Daves Pension eine Europa Motorrad-Tour – vielleicht werden wir sie das nächste Mal in der Schweiz antreffen. Die Fahrt zurück nach Seattle ist ereignislos, wir staunen aber über den ziemlich starken Verkehr auf den je 4 Spuren nord- resp. südwärts. Hier ist wohl nie wenig Verkehr.

Zurück in Seattle gehen die Kinder schlafen, Ariane und ich trinken noch einen Kaffee während wir die noch gekauften und die noch nicht verpackten Sachen in die Kisten packen. Wie bereits erwähnt wird es wieder einmal eine kurze Nacht. Am Morgen stehen wir auch heute nicht zu spät auf, es ist halb acht. So haben wir Zeit noch die letzten Sachen einkaufen zu gehen – Verpflegung für den Flug, da wir nicht verpflegt werden und vor allem ein Geschenk für Alani und Dan. Bei dieser Gelegenheit besuchen wir noch ein lange ersehntes „Denny’s“ Restaurant. Eine typisch amerikanische Restaurant-Kette, welche Pancakes, Eier, Speck, Hamburger, Muffins und weitere ungesunde Leckereien zubereiten. Die Kinder haben sich dies noch gewünscht und trotz der etwas eng werdenden Zeit lassen wir uns nicht davon abhalten. Die Zeit vergeht viel zu schnell und ich bin bald etwas gestresst und habe das Gefühl, wir werden es kaum mehr zum Flughafen schaffen. Doch das ist bei mir sowieso fast bei jeder längeren Reise der Fall – das Gefühl zu haben, es nicht zu schaffen meine ich.

Zurück bei Alani und Dan überreichen wir ihnen noch das Geschenk. Es ist nicht leicht von den beiden Abschied zu nehmen, sie sind uns so richtig ans Herz gewachsen. Ariane und ich schützen unsere Kisten noch mit einer Plastikfolie, so dass die Kartons auch wirklich nicht auseinander brechen. Nun ist alles tip-top verpackt und es steht nur noch der Transport an den Flughafen an. Alani, also die amerikanische Alani, Lorin und ich fahren zur nahe gelegenen U-Haul Vermietung und holen einen genügend grossen Truck für den Transport ab. Alani wird ihn zum Flughafen fahren und wieder hier her zurück bringen. Sobald dieses Ding beladen ist, geht es los – Alani und Lorin im Truck, Dan fährt Ariane, Alani und mich im gemütlicheren Volvo zum ca. 30 Minuten entfernten Flughafen. Leider ist die Ausladezone immer etwas ungemütlich um sich voneinander zu verabschieden. Bereits vor 2 Jahren in San Francisco konnten wir uns nur kurz Ade sagen, genau wie heute hier in Seattle. Wow, die beiden haben wirklich wieder so viel für uns getan. Eine Woche konnten wir als Familie bei ihnen leben, als wäre dies eine Selbstverständlichkeit. Wie können wir ihnen dies nur einmal zurück geben. Hoffentlich werden sie uns mal mit ihrer Tochter, welche im November zur Welt kommt, besuchen kommen.

Das Check-in geht ohne Probleme über die Bühne. Ausser vielleicht die Frage nach dem Campingkocher und die Bemerkung, dass dieser wohl durch die Security konfisziert werden wird – weil es eben ein Kocher ist. Das wäre das erste Mal nach vielen Transatlantik Flügen bei welchen ich diesen Kocher immer bei mir hatte. Lassen wir uns mal überraschen. Unsere sauber verpackten Tandems schleppen wir zum Oversize-Baggage, wo ein uniformierter Typ, also in einer Art Polizeiuniform, die Pakete entgegen nimmt. Ariane und Lorin warten hier, während Alani und ich noch eine Kleinigkeit besorgen. Als wir zurück kommen, kommt Lorin ganz aufgeregt entgegen und ruft: „Der Typ packt unsere Velos aus!!!“ Was? Und tatsächlich liegt da eine aufgeschlitzte Box, welche wir in mühsamer und sauberer Arbeit zusammengepackt haben. Ich lasse einige laute, berndeutsche Bemerkungen fallen und besinne mich kurz später aber doch zur Ruhe. Wir haben schon so einige Geschichten von beleidigten US-Beamten gehört und auch miterlebt. Der schmächtige, kreidebleiche und wichtig uniformierte junge Schnösel in diesem kleinen Raum hat einfach keine Ahnung. Er hätte auf der oberen Seite den Karton einfach aufmachen können ohne die beiden ineinander gestossenen Kisten auseinander zu nehmen. Nachdem er seine Sprengstoffkontrolle gemacht hat, kann er die beiden Teile kaum mehr zusammen setzen – und wir dürfen nicht zu ihm hinein, obschon wir nur einen Schritt über die Linie hätten machen müssen. Ich frage ihn etwas zynisch wer denn für den allfälligen Schaden aufkommen wird. Ich merke sein Kragen immer enger wird und er sich beherrschen muss. Keine Antwort. Ich hake noch einmal nach und meine noch etwas frecher, dass er da nicht die beste Packarbeit verrichte. Und nun, wie durch ein Wunder reisst der oberste Knopf der Uniform NICHT aus. Der schmächtige Typ richtet sich auf, macht eine ernste Miene und klärt mich nun ziemlich deutlich auf. Er müsse mir wohl hier nicht erklären was seine Arbeit sei und wie er sie zu machen habe. Er sei eine offizielle Person welche sich um diese Pakete kümmern muss und wie er dies mache sei alleine seine Sache. Ok, ok, ich meine ja nur… und nun schaue ich ihm noch ein paar Minuten zu, welche Arbeit er verrichtet. Natürlich merke ich, dass ihm gar nicht wohl zumute ist wenn ich ihm zuschaue, aber genau das will ich ja. Er trägt die offizielle Uniform und ich habe nichts zu sagen. Also beobachte ich ihn wortlos und vor allem kritisch. Plötzlich fragt er mich dann doch noch, ob er dieses und jenes zukleben soll etc. Ich sage ihm einfach – klar, einfach genau so, dass das Fahrrad keinen Schaden nimmt. Er nickt nur und macht weiter.

Bevor wir dann zur Sicherheitskontrolle weiter müssen schlage ich ihm noch vor, wie er die zweite Kiste öffnen könne, ohne grössere Probleme zu haben. Und dann will ich nichts mehr sehen – wir werden dann in Zürich sehen ob und wie die Fahrräder ankommen. Die Sicherheitskontrolle geht ziemlich schnell vor sich und nach der kurzen Zugfahrt stehen wir auch schon am Gate. Nur wenige Minuten später können wir schon einsteigen und pünktlich verlassen wir den Standplatz. Beim Wegflug können wir ein letztes Mal die Downtown von Seattle sehen und auch die schwimmende Brücke nach Bellevue, wo wir mit unseren Velos drüber gefahren sind. Und nun steht uns ein knapp 7 stündiger Flug nach Rejkyavik bevor. Es ist heiss im Flieger und vor allem sehr eng. Ich sitze bei den 3 Sitzen in der Mitte, Lorin am Fenster quer über seinen Sitz, die Füsse auf meinen Beinen und der ältere Sitznachbar zur Rechten macht sich etwas breit beim Lesen seines Buches über Island. Die Luft ist trocken und der Durst ist gross. Mal schauen ob noch einmal ein Getränk serviert wird… 2 Stunden sind wir noch in der Luft, bevor wir in Rejkyavik zwischenlanden.

wunderbare, aber kurze Nacht

In Rejkyavik haben wir nur einen ganz kurzen Aufenthalt. Kurz auf die Toilette und dann schaue ich mich noch im schönen Shop um. Doch oje, ich habe mich in der Zeit geirrt. Eigentlich müssten wir bereits am Gate sein und einsteigen. Das sehen wir zum Glück noch rechtzeitig, bis wir aber das etwas versteckte Gate erreichen sind wir ziemlich von den Letzten. Der Flieger fliegt zum Glück nicht ohne uns ab und wir starten schon bald aus dem regnerischen und 10 Grad kühlen Rejkyavik in den Morgenhimmel. Der Flug ist, ausser einem zusammengeklappten Passagier in den vorderen Reihen, welchen sie mit Sauerstoff versorgen müssen aber bald wieder zu sich kommt, ereignislos.

Mit einigen Minuten Verspätung landen wir in Zürich, wo wir schon von unseren Familien und Beat mit seinen Kindern (ein Follower unserer Berichte) empfangen werden. Doch das in die Arme schliessen dauert noch eine Weile. Eine unserer Taschen kommt als letzte aufs Kofferband und auch das zweite Fahrrad kommt ganz am Schluss. Welch ein Wunder, der schmächtige und bleiche Security Officer in Seattle hat die Boxen doch genügend zusammen geklebt. Es sieht zwar nicht wirklich stabil aus, doch wie es scheint, haben die Velos die Reise gut überstanden. Eventuelle Schäden sehen wir dann beim zusammen setzen. Am Zoll verzollen wir noch ein paar unserer eingekauften Sachen und endlich, endlich können wir unsere Lieben in die Arme nehmen oder sie uns 😉 Nun steht noch die Zugfahrt nach Hause an – und natürlich die Schlepperei an den verschiedenen Bahnhöfen. Doch dank unseren Helfern kommen wir gut voran und sitzen schon bald im wenig besetzte Zug nach Bern. In Bern schwitzen wir noch einmal gehörig, denn wir müssen mit all dem Bagage ohne Wägelis das Gleis wechseln. Aber auch das geht gut und nun steht noch die kurze Bahnfahrt mit der S-Bahn aus und der Transport vom Bahnhof nach Hause. Aber auch das klappt wie am Schnürchen, mit so netten Nachbarn wie wir haben, ist das richtig feudal. Sie organisieren kurzerhand einen kleinen Lieferwagen und stehen für uns am Bahnhof bereit. Unser grosses Gepäck wird bis vor die Haustüre geliefert. Wow, vielen Dank für diese Dienstleistung – wir haben tolle Familien und super Nachbarn – MERCI!!! Aber mit dem ist noch nicht Schluss. Unser Abendessen wurde bereits von Ruth eingekauft und liegt im Kühlschrank und auf der Kochinsel steht ein leckerer Zwetschgenkuchen von meiner Mutter mit einem rettenden Bierchen und ein Mango-Cheesecake von den Nachbarn. Herzlichen Dank euch allen!

Wir alle freuen uns jetzt aufs eigene Bett und Lorin ist bereits tief im Schlaf. Er wollte all seine Kuscheltiere umarmen und ist gerade so eingeschlafen. Nach nur 2 Stunden Schlaf ist das kein Wunder.

Lorin mit seinen Kuscheltieren

Dies somit zu den letzten beiden Tagen unserer Reise. Traurig, dass alles „schon“ vorbei ist, doch froh, dass wir mit unserem Gepäck gut gelandet und nach Hause gekommen sind. Wie versprochen kommen die Bilder auch noch, einfach etwas später.