20.07.2015 Hood River – Goldendale, Washington 79 km

Wir haben geschlafen wie Steine – vor allem ich bin am Morgen ziemlich durcheinander aufgewacht. Wusste kurze Zeit nicht mehr wo ich bin, was ich mache und wie es gehen soll. Aber das hat sich schnell gelegt und ich bin sofort wieder im Element. Ariane und ich packen ziemlich zügig unsere Sachen, streichen Sandwiches für den heutigen Tag und beladen die Velos für die Abfahrt. Die Kinder lassen wir noch ein wenig schlafen, doch schon bald sind sie dran.

Um ca. halb acht sagen wir unseren lieben Gastgebern „good bye“, machen noch ein letztes Bild von und mit ihnen und winken ihnen so lange es geht zu. Es war super mit Kristen, Jeff und Anson – wer weiss, vielleicht besuchen uns die drei einmal in der Schweiz, Pläne dazu stehen jedenfalls schon.

Wir fahren direkt zu Clint, einem anderen „warmshower-host“ und treffen ihn in seiner Bäckerei. Ich hatte bereits vor der Reise per Email Kontakt mit ihm und nun besuchen wir ihn. Er hat uns versprochen, dass er uns über die Brücke rüber nach Washington bringen kann – für Radfahrer gesperrt. Wenn man schon mal so ein Angebot erhält, dann sollte man dies nicht ausschlagen. Und wie Recht wir haben, denn schon am Abend werden wir noch mehr vom kurzen Treffen mit ihm profitieren.

In der Bäckerei von Clint geniessen wir vorerst einmal einen Kaffee und vier verschiedene Breakfast-Variationen. Cinnamon-Roll, zwei verschiedene Muffins und Frühstücks-Sandwich – mmmmh, wie das herrlich schmeckt. Ok, die Preise hier drin sind sehr hoch, an einem anderen Ort würde man dafür ein Nachtessen für vier bestellen können – oder wenigstens fast – aber es schmeckt unglaublich fein. Clint ist „very amused“ dass der Laden voller Leute ist und dass es läuft wie am Schnürchen. Es kommen immer wieder Leute rein, das lässt die Kasse klingeln.

Wir lernen auch Clint’s Frau, Megan, kennen und sie fragt uns, wo wir denn heute Nacht übernachten wollen. In Goldendale auf dem RV-Platz, antworten wir ihr. Doch es geht nicht lange, da kommt sie mit dem Vorschlag, wir sollen doch zu einer guten Kollegin übernachten gehen. Sie habe eine Ranch mit viel Land und sicher einem Platz fürs Zelt. Na ja, das tönt verlockend. Megan klärt rasch ab, ob es für ihre Kollegin ok ist eine Familie für die Nacht aufzunehmen – und wie so oft, das sei gar kein Problem und sie würde sich freuen uns kennen zu lernen. Super, wir haben wieder einen Platz für die Nacht!

Doch zuerst haben wir eine ziemlich anstrengende Fahrt vor uns – das denken wir wenigstens. Doch die ersten 25 Kilometer fahren wir easy entlang eines kleineren Flusses hinauf in die Berge. Die Steigung ist nie gravierend, wir kommen mit dem Rückenwind gut voran. Bei der Ortschaft „Klickitat“ setzen wir uns vor den Dorfladen und essen unsere Sandwiches und trinken ein paar Süssgetränke. Es dauert nicht lange, schon kommt die erste Kundin und fragt uns über unsere Tour aus. Kaum ist sie weg, kommt ein Typ daher gelatscht und will auch wissen wo und wie und wie lange etc. Kaum ist der weg kommt ein anderer Typ und …. Bla bla bla – immer die gleiche Geschichte. Aaber wenn man dort vor diesem Country Store steht und mit jedem und jeder quatschen kann, dann ist das einfach einmalig und sicher nicht langweilig. Vor allem nicht, wenn ein Typ mit einem ein Gespräch beginnt, der kaum mehr Zähne im Mund hat, eine Aussprache hat wie ein englisch sprechender Chinese mit japanischer Abstammung der eben keine Zähne hat und einen Knoten in der Zunge. Kein Wort haben wir verstanden, aber eine herrliche, ca. 15 Minütige Unterhaltung haben wir dennoch geführt. Einfach köstlich dieses Dorfleben.

Wir fahren weiter gegen den von allen im Laden anwesenden Leuten und auch von Clint vorgewarnten Aufstieg. Brutal muss der sein, steil, eng, gefährlich, heiss und und und. Ok, mit heiss hatten sie Recht, mit den anderen Sachen eher weniger. Die Reise geht durch den Canyon bis zuhinterst – und dort beginnt die Steigung. Mein Thermometer zeigt zwischenzeitlich über 42 Grad an, wir schwitzen und tropfen was das Zeugs hält. Ariane und Lorin geben eine Pace vor, welcher Alani und ich nicht folgen können. Dennoch sind wir irgendwann mal oben und die Freude ist bei allen gross, dass wir diesen lange vorgewarnten Aufstieg so gut geschafft haben. Nun geht es übers Hochplateau weiter, mit viel Rückenwind gegen Goldendale zu. Nach gut 25 weiteren Kilometern erreichen wir dieses kleine Städtchen und steuern direkt ins Coyote Café zu. Ein Original eines Cafés, die alten Leute waren wohl schon als Schulkinder in diesem Café, die junge Mutter mit ihrem 3 Wochen jungen Baby lernt hier drin wohl was von den Alten zu lernen ist und jeder und jede spricht über jeden und jede… Herrlich wie diese Klischees wieder einmal bewahrheitet werden.

Das letzte Teilstück zu Paulette’s Farm führt entlang des Interstates und vor allem der letzte Kilometer geht wieder einmal eine Steigung rauf zur Ranch. Hier empfängt uns die 20 jährige Tochter welche uns sogleich den Platz für unser Zelt zeigt. Wir stellen bei extremem Wind das Zelt auf, richten es ein und gehen in das tolle Haus zurück. Dort erhalten wir vorerst einmal einen kalten Eistee, bevor wir einen Rundgang über die ganze Ranch machen. Paulette ist noch nicht hier, aber das macht nichts, wir sehen bereits alles was wichtig ist. Nach der erfrischenden Dusche lernen wir die nun eingetroffene Paulette kennen – eine gute und sehr aufgestellte Person. Sie schickt uns mit einer Flasche Rotwein raus, wir sollen dort warten bis das Essen fertig ist. Nichts schöneres als das, wir setzen oder legen uns in den Hängestuhl resp. Hängematte. Lorin fragt mich: „Papi, wie haben wir das nur verdient…“ Wie wahr, wie wahr!

Der Tisch ist einige Minuten später zum Bersten voll. Truthahnfleisch von ihrem Hof, Salat mit Käse, Früchten und Rosinen, eine riesige Schüssel Pastas mit einer vorzüglichen Gemüse-Käse-Sauce, Chips, Dips, Hüttenkäse und vieles mehr. Wirklich keinen Platz mehr für irgendetwas. Anschliessend ans wunderbare Nachtessen setzen wir uns auf die Sitzgruppe voll in Front of everything. Wir sehen von dieser Anhöhe aus den Mount Hood und den Mount Adams. Zwei schneebedeckte und sehr ansehnliche Vulkane. Unglaublich, dieser Sonnenuntergang…

Wir quatschen noch eine Weile bei einem Glas Rotwein, bevor wir uns zu unserem Schlafplatz machen. Vorher haben wir aber noch schnell das Zelt abgebrochen, der Wind wurde tatsächlich zu stark. Nun schlafen wir unter einem Dach im Vorgarten. Paulette hat Alani beruhigt, sie solle keine Angst vor den Kojoten haben, sie haben einen tollen Schaf-Wachhund – der wird schauen, dass keine wilden Tiere zu uns oder zu den Tieren kommen. Alani schläft nach einer gewissen Zeit doch noch ein – wie die anderen auch. Und ich bin jetzt so müde – der Kopf ist mir schon wieder einige Male auf die Tastatur geknallt und darum freue ich mich auf eine super schöne Nacht. Falls ich oben ein bisschen komisch geschrieben habe, das ist die Müdigkeit… Und hey, die Bilder kommen dann noch – ich muss jetzt wirklich SCHLAFEN!!!!!