25.07.2015 Ellensburg – Mineral Springs Campground, 40 km

Es liegt wieder eine gute Nacht hinter uns. Zwar haben unsere Gastgeber, welche wir gestern Abend ja nur ganz kurz gesehen haben, in der Nacht einen ziemlich lauten Ventilator angestellt, welcher uns hie und da geweckt hat. Aber grundsätzlich haben wir gut geschlafen. Ist schon lustig, sie wohnen hier in einem wirklich ruhigen Quartier, aber mit ihren Geräten machen sie einfach einen riesigen Lärm. Tja, die setzen eben andere Prioritäten.

Um 7.00h stehen wir auf, die beiden Gastgeber schauen noch die Zieleinfahrt der Tour de France, welche hier drüben wahrscheinlich von mehr Leuten beachtet wird als in der Schweiz. Die stehen sogar am Samstag vor 6.00h auf um diese Tour nicht zu verpassen. Wir haben unsere eigene Tour und sind froh, wenn wir schlafen können. Ariane packt unsere Sachen wieder perfekt zusammen, ich binde die Taschen auf die Velos und zusammen essen wir stehend in der Küche unsere gestern gekauften Zimtschnecken. Audrey bereitet uns einen feinen Kaffee zu und wir plaudern über unsere Touren, die Erlebnisse auf den Touren und einfach über Dies und Das. Audrey und Paul sind auch erfahrene Tourenradler, sie waren auch schon auf Tour in der Schweiz, in Neuseeland, Kanada und natürlich in den USA. Die beiden sind Professoren an der Universität in Ellensburg und lehren Geologie. Darum haben sie auch jedes Jahr im Sommer eine lange Auszeit, während der sie meistens unterwegs sind. Unsere Abfahrt verzögert sich aufgrund des Klatsch und Tratsch – was aber nicht weiter schlimm ist.

Heute sehen wir zum ersten Mal die Sonne nicht, es liegt eine dicke Wolkendecke über uns und den umliegenden Bergen. Die Temperatur ist ungewöhnlich tief und wir ziehen den Kindern bereits vor der Abfahrt lange Hosen und Shirts über. Nach der Verabschiedung fahren wir durch das ruhige Quartier von Ellensburg dem Wind entgegen. Uns ahnt Schlimmes… Und tatsächlich, kaum aus der Stadt raus, weht uns ein unglaublicher Wind ins Gesicht. Und vor uns sehen wir keine Bäume oder Häuser oder Berge, welche eben diesen Wind ein bisschen brechen könnten. Wir müssen bereits zum ersten Mal stoppen, die Kinder brauchen noch mehr Kleiderschichten und auch wir ziehen uns was über. Und nun geht der Kampf gegen den Wind so richtig los. Die nächsten gut 25 Kilometer sind fast flach, aber wir haben das Gefühl den Sustenpass rauf zu strampeln. Unglaublich was einem der Wind antun kann. Gestern Abend haben mich die letzten 10 Kilometer gegen den Wind fast zur Verzweiflung gebracht und meine Nerven lagen blank. Zum Glück bin ich heute Morgen psychisch wieder auf der Höhe, ich nehme die Herausforderung an. Auch Ariane und vor allem die Kinder sind guten Mutes – zum Glück. Wir kämpfen uns gute 2,5 Stunden gegen diesen Wind voran, und sind danach erst knapp 25 Kilometer weiter. Auf diesem Teilstück hätten wir wahrscheinlich nur die halbe Zeit gebraucht, wäre der Wind nicht gewesen. Auf der Gegenfahrbahn „fliegen“ uns zwei Tourenfahrerinnen entgegen, die haben sicher über 30 Stundenkilometer auf ihrem Tacho. Was soll’s, irgendwann werden auch wir wieder belohnt werden.

Die vielen Windturbinen vor und neben uns drehen wie verrückt im Wind – heute ist ein guter Tag für Windenergie. Unsere Beine schmerzen, solche Schmerzen haben wir nicht einmal nach 3 Stunden bergauf. Lieber auf einen Pass fahren anstelle flache Strasse gegen den Wind… So, genug gejammert, wir haben uns diese Tour ausgesucht, also müssen wir auch mit solchen Widrigkeiten klar kommen. Kurz vor dem Wald und dem Fusse des Blewett Passes machen wir eine Pause an einem mehr oder weniger Wind geschützten Platz. Wir essen unsere Sandwiches – und frieren uns einen ab. Wer hätte das gedacht, vor ein paar Tagen noch über 42 Grad Hitze und jetzt wären wir froh um ein paar Sonnenstrahlen. Die Pause wird nicht in die Länge gezogen, wir fahren weiter und treffen kurz darauf auf ein kleines Cafe neben der Strasse. Keine Frage, wir steuern direkt darauf zu und gehen rein in der Hoffnung ein Kaminfeuer und eine heisse Tasse Kaffee aufzufinden. Natürlich wird nichts aus dem Kaminfeuer, ein riesiges Klimagebläse windet kalte Luft in den kleinen Raum – uns weht es fast vom Barhocker. Zum Glück verlässt ein paar Minuten später ein Bergcowboy einen Tisch und wir stürzen uns auf den Wind geschützten Platz. Der Kaffee wird wenig später serviert, die Kinder essen trotz den vorher verschlungenen Sandwiches einen Delux-Burger mit Pommes, Ariane geniesst einen Apfelkuchen und ich schaue mit meiner heissen Tasse Kaffee, welche ich mindestens drei Mal auffüllen lasse, einfach nur zu.

Mit vollen Mägen und etwas aufgewärmt machen wir uns auf die nächsten Kilometer. Die Strasse zum Pass ist ziemlich stark befahren, aber wir haben einen breiten Seitenstreifen. Keine 6 Kilometer weiter, und nun tatsächlich mit Rückenwind, stehen wir vor dem Eingang eines Campingplatzes. Es ist ein primitiver Platz, das heisst ohne Duschen, ohne Strom und ohne Schnick-Schnack. Einfach nur ein Plumpsklo und einen einzigen Wasserhahn. Aber schön gelegen mitten im Pinienwald, leider führt die Strasse nicht allzu weit entfernt vorbei. So haben wir einigen Strassenlärm, welchen wir aber gut ausblenden können. Das Zelt ist schnell aufgebaut und die Kinder verkriechen sich in die Wärme. Ariane und ich planen die nächsten Tagesetappen und wir sehen, dass wir einen ziemlichen Rückstand auf die ursprüngliche Planung eingefahren haben. Aber was solls, wir wollen es geniessen und nicht einfach nur Kilometer fressen. Auch morgen werden wir nicht weit fahren, denn wir wollen uns mit einem pensionierten Ehepaar, welches ich im letzten Sommer im Internet auf ihrer Tour quer durch die USA „begleitet“ habe (ich habe täglich ihre Berichte gelesen) treffen. Sie sind momentan auf der gleichen Route wie wir, einfach entgegengesetzt. Und da wir sie nicht nur auf der Strasse für 10 Minuten treffen möchten, werden wir morgen auch nicht sehr weit fahren und sie am Nachmittag oder Abend zum Essen treffen.

Heute geht es mal früh in die Federn, es ist erst 19.00h, die Kinder und Ariane haben die Zähne geputzt und liegen im Zelt. Ich schreibe die letzten Worte, werde mich auch bereit für die Nacht machen und mal so richtig früh schlafen gehen.