27.07.2015 Leavenworth – Entiat, 62 km

Zuerst erzähle ich etwas von einem Email. Wir haben heute ein so schönes Email aus Münchenbuchsee erhalten. Freunde von uns – oder wie sollen wir sagen, eigentlich kennen wir uns nur von unseren Diavorträgen und vielleicht vom Internet, aber in der Tourenradler-Gemeinschaft ist man einfach sofort „Freund“ und vor allem Gleichgesinnt – haben uns ein so schönes Email geschickt. Wir haben uns extrem darüber gefreut, sie sind keine „Gästebuch-Eintrags-Schreiber“ was wir auch verstehen. Aber noch einmal, ein so langes und schönes Email, das freut einem so sehr wenn man unterwegs ist. Vielen, vielen Dank! Und nun möchte ich etwas zum Inhalt, respektive zu einer Anmerkung im Email schreiben – ich habe heute schön Zeit dazu 😉

Diese Freunde freuen sich jeden Morgen beim Lesen unserer Berichte. Sie haben mir aber auch den Tipp gegeben, dass ich nicht so viel schreiben müsse, es reicht auch mit weniger Text. Ja, ich weiss, ich schreibe einfach viel zu viel und ich weiss auch, dass es den Anschein macht, dass ich nur Stress mit Schreiben habe. Natürlich, wenn ich um halb zwölf in der Nacht nicht gleichzeitig mit der Familie in den Schlafsack kriechen kann, dann ist das wohl eine grosse Überwindung noch ein bis zwei Stunden zu schreiben und Fotos hoch zu laden. Aber wenn ich es nicht mache, dann komme ich ins Hintertreffen. Und natürlich, ich könnte auch nur die Fotos mit viel weniger Text hoch laden, dann könnte ich eine Stunde mehr schlafen pro Nacht. Und natürlich, ich könnte einfach alles sein lassen oder einfach nur ein paar Zeilen schreiben und meine Ferien noch viel mehr geniessen. All das, das könnte ich machen. Aber ich kann auch sagen, für mich ist das Niederschreiben unserer Erlebnisse hier in den USA und auch sonst auf Fahrradtouren ein Verarbeiten des Tages. Ich versuche während des Schreibens – sofern mir vor Müdigkeit der Kopf nicht auf die Tastatur knallt – mich noch einmal mit den Erlebnissen des Tages auseinander zu setzen. Dies gibt mir persönlich ganz viel zurück respektive ich kann das Erlebte noch viel intensiver memorisieren. Ich bin sicher, dass ist für viele von euch Lesern etwas unverständlich, aber ich selber lese so gerne Blogs von anderen Tourenradler und ich weiss, wie man fast süchtig nach täglichen Berichten werden kann. Nicht dass man süchtig nach meinen Berichten werden muss, aber wie ich im erhaltenen Email und auch in vielen Gästebucheinträgen oder sonstigen Feedbacks lesen und hören kann, es gibt schon ein paar, welche unsere Reise mitverfolgen. Wenn nicht täglich, dann halt von „time to time“. Und ich weiss, dass ich einfach viel zu viel schreibe und ich von niemandem verlange, dies alles zu lesen. Aber für uns werden diese Berichte auch zu Tagebüchern und Erinnerungen für die Zukunft. Also, keine Angst an alle Leserinnen und Leser, obschon ich zeitweise viel zu spät in die Federn hüpfe, ich geniesse jede Sekunde hier drüben und sauge all die Erlebnisse und Begegnungen in mich rein, auch wenn ich hie und da müde bin 😉 Vielen Dank für das Email aus Münchenbuchsee!!!

Und nun zu unserem heutigen Tag. Auch in dieser Nacht ziehen wir fast alle unsere Kleider an, damit wir nicht frieren. Es ist kühl am Morgen, aber die Sonne kommt schon um ca. 7.00h hinter den Bäumen hervor und wärmt uns ein wenig auf. Wir verlassen den Campingplatz – oder besser den Kampingplatz 😉 mit leeren Mägen durch den Hinterausgang. Eine Abkürzung und vor allem ohne zuerst runter zum Fluss um danach wieder eine steile Steigung hinauf zu fahren. Wir fahren zwar auf einem Singletrail für Mountainbikes, aber wir haben mit unseren beladenen Tandems schon viel geschafft, auch das funktioniert heute. Direkt zum grossen Safeway und dort lassen wir uns feine Burritos und Sandwiches zubereiten, um gestärkt auf die Weiterreise zu starten. Wir fahren zuerst auf dem nicht allzu fest befahrenen Highway um schon bald auf eine Nebenstrasse abzuzweigen. Ich wäre zwar gerne noch die zwei nächsten Kilometer auf dem schön sanft abfallenden Highway weiter geradelt, aber Ariane schlägt vor die ruhige Seitenstrasse zu nehmen. Ok, es wird wohl nicht allzu weit den Hügel rauf gehen. Falsch!!! Eine laaaange Rampe mit bis zu 12 % Steigung und voll an der Sonne. Bei mir plätschert der Schweiss nur so vorne runter, während dem Alani vorne auf dem Velo vor sich hin singt. Sie hilft zwar schon mit, doch so lange sie singen kann und nicht nach Luft schnappen muss, kann ich ihr nicht ganz abnehmen, dass sie all ihre Kraft einsetzt. Ach was solls, wir kommen auch so bis hinauf. Und wo es rauf geht, da geht es sicher auch einmal wieder runter. Und so ist es – und wie…

Es geht auf tollen Strassen entlang von endlosen Birnen-, Äpfel- und Kirschenplantagen bis nach Cashmere, einem kleinen lustigen Städtchen. Hier trinken wir in einem kleinen Café einen Kaffee und telefonieren nach Hause. Eine Stunde später geht es weiter in Richtung Wenatchee. Von dieser Ortschaft habe ich vor ca. 4 Wochen im Internet gelesen, dass hier ein Buschfeuer wütete und 30 Wohnhäuser und 3 Lagerhäuser zerstört hat. Dies können wir von der Gegenseite aus gut sehen, die andere Talseite ist über eine weite Strecke total abgebrannt und schwarz. Einige Häuser hatten extremes Glück, das Feuer verschonte ihren grünen Rasen und eben das Haus.

In einem schönen Fruchtladen kaufen wir uns ein Pfund Blaubeeren, welche wir direkt vor dem Laden geniessen, bevor wir nun wieder am Columbia River entlang hoch fahren. Wir merken schnell, dass wir heute das grosse Los gezogen haben. Hier weht der Wind ziemlich stark in unsere Fahrtrichtung. Herrlich, wenn man mit 20 bis 30 km/h und ohne grossen Kraftaufwand Flussaufwärts „cruisen“ kann. Wenn nur der Hintern nicht so schmerzen würde… Aber daran habe ich mich eigentlich schon gewöhnt. Ich werde es kaum mehr richten können, ich hatte in den ersten Tagen den Sattel ganz wenig falsch eingestellt und da ist’s halt passiert… Ins Detail müssen wir hier nicht weiter gehen.

An einem Felsen neben der Strasse können wir eine Herde Steinböcke beobachten – die Autos müssen weiter fahren, da sie hier nicht anhalten können. Für uns ist das zum Glück kein Problem. Wir fahren bis zum Dörfchen – oder besser zur Ansammlung von ein paar Häusern – Entiat. Hier sehen wir einen brandneuen Campingplatz entlang des Flusses. Wunderschöne Stellplätze, einen Unterstand, tolle Duschhäuschen und nur ganz wenig Leute. Keine Frage, hier bauen wir unser Nachtlager auf. Es ist erst 15.00h und wir können den Nachmittag noch so richtig geniessen. Nach dem Einkaufen nehmen wir eine Abkühlung im Fluss, liegen im Gras und relaxen, schreiben Tagebuch und die Kinder spielen irgendwo auf dem grossen Gelände.

Meine Aufgabe neben dem Schreiben, Zelt auf- und abbauen ist auch das Kochen. Tönt nach viel, doch Ariane managt das Aus- und Einpacken und das Zelt einrichten – und das ist die harte Arbeit. Vor allem weiss sie haargenau was in welcher Tasche zu finden ist. Und das ist Gold wert! Also koche ich ganz gemütlich im schönen Pavillon – es ist zwar sehr windig, aber es macht mir Spass. Nach dem Abendessen kommt noch mal ein gemütlicher Teil. Leider ist hier aufgrund der anhaltenden Trockenheit das Campfire nicht erlaubt. Aber der Camping Host hat ein „künstliches“ Campfire, welches er uns vorbei bringt. Eine Gasflasche und eine Feuerschale mit Lavasteinen. Unglaublich wie gemütlich das sein kann. Wir packen unsere Marshmallows aus und stecken sie an einen Holzspiess. Wie ein richtiges Campfire und wir geniessen rund um das Feuer die Abendstimmung und wie der Mond hinter dem gegenüberliegenden Hügelzug aufgeht. Herrlich!

PS: heute leider noch keine Fotos – die kommen sobald wir eine bessere Verbindung haben.