02.08.2015 Newhalem – Rockport, 47 km

Heute gehen wir es ruhig an, wir lassen uns um 7.30h wecken. Nach dem Packen, Frühstücken und Beladen der Fahrräder lassen wir zum ersten Mal unseren Puls in die Höhe treiben, es geht eine steile, zum Glück nur kurze Rampe rauf zum Visitor Center. Hier schauen wir uns einen tollen Film über den Park an. Wie immer in diesen Nationalpark Visitor Centers, die Filme sind einfach wunderbar gemacht. Anschliessend wollen die Kinder wieder einmal die Ausbildung zum Junior Ranger machen. D.h. sie erhalten ein Aufgabenheft, in welchem sie diverse Frage beantworten oder die eigene Phantasie spielen lassen müssen. Gute 1,5 Stunden später gehen wir zum Ranger und übergeben das Büchlein zur Korrektur resp. als Prüfung ab. Und einmal mehr werden sie zum Junior Ranger ernannt und erhalten einen Batch als Auszeichnung. Stolz verlassen wir das Gebäude in die nun schon grosse Hitze des Tages. Trotz der Hitze setzen wir uns unter einen Baum in den Schatten und essen einen Apfel, ein paar Krackers und einen Energie-Riegel.

Kurz nach 12.00h geht es los und wir fahren die ersten 25 Kilometer auf der ziemlich engen Strasse bis nach Marblemount. Wie schon gestern gibt es auch heute ein paar ungeduldige Riesen-Camper-Fahrer welche entweder die Strasse oder ihr Fahrzeug nicht beherrschen oder es einfach nicht akzeptieren können, dass auch einmal ein paar Fahrradfahrer die Strasse benutzen. Zum Glück kommen wir gut in Marblemount an und das erste was wir sehen ist ein kleines Diner-Restaurant. Sofort gehen wir dort rein, seit Winthrop vor zwei Tagen der erste kleine Ort mit einem Restaurant. Es liegt schon fast auf der Hand, dass wir uns einen Burger bestellen. D.h. Ariane hat Lust auf einen frischen Salat und bestellt sich einen feinen Cesar-Salad mit Poulet-Streifen. Wir geniessen diesen Kalorienhaltigen Food und füllen unsere Bäuche.

Nach dem Lunch fahren wir ein paar hundert Meter weiter in den kleinen Einkaufsladen. Leider ist dieser auch hier eine kleinere Enttäuschung. Hier kriegt man nur so schlabbrigen Fertigfood und nicht’s wirklich richtiges fürs Abendessen. Wenigstens gibt es noch Teigwaren, wie seit einigen Tagen unser „tägliches Brot“. Wir hoffen auf den Shop in Rockport, welcher auf unserer Karte eingezeichnet sind. Unsere Hoffnung wird aber später brutal wie eine Blase platzen…

Die Weiterfahrt während den nächsten 20 Kilometer führt über eine wunderschöne und total verkehrsfreie Nebenstrasse. Es ist einfach erstaunlich wie hier auf der Westseite der Cascade Mountains die Vegetation ganz anders aussieht als auf der Ostseite. Keine braunen und öden Bergflanken mehr – nur noch dichter Wald bis ganz hinauf auf die Hügel und Bergketten. Alles ist saftig grün, viel Farn im Wald und Bäume mit dichtem Moos bewachsen. Dies ist Naturunterricht on the road – besser können die Kinder nicht erfahren welche Auswirkungen die Berge auf die Vegetation haben, wie sie das Wetter wie eine Barriere aufhalten, wo die Wolken sich entladen und wo es dann keines oder nur noch wenig Wasser hat.

Wir erreichen das nächste Kaff, Rockport, nach einem kurzen Kampf gegen den Wind. Trotz der eigentlich kurzen und vor allem immer ganz leicht abwärts führenden Strecke, sind wir alle froh, dass wir am Ziel sind. Die beiden letzten Etappen haben unsere Beine ziemlich gefordert. Im grossen und schönen County Park stellen wir unser Zelt direkt am Fluss unter Schatten spendenden Bäumen. Lorin und ich fahren ins Dorf hinauf – nun ja, Dorf kann man dem nicht sagen, es besteht aus ca. 5 Häusern, einer Feuerwehrstation die übrigens heute gerade einen „Yard Sale“, eine Art Flohmarkt, macht und einem Pub in dem Kinder resp. Jugendliche bis 21 Jahre nichts zu suchen haben. Auch eine Tankstelle mit Shop gibt es hier – oder ich sollte besser schreiben – gab es hier. Die Hoffnungsblase von Marblemount platzt hier jäh. Denn um die ganze Tankstelle ist ein portabler Zaun gestellt und weit und breit ist kein Leben zu sehen. Wahrscheinlich musste hier aus wirtschaftlichen Gründen der Betrieb eingestellt werden. Nun dann, es wird wohl nichts aus einem Bierchen und dem Süssgetränk für Frau und Kind. Lorin nimmt es gelassen, ich sorge mich eher wegen dem Benzin welches wir hier für unseren Kocher nicht erhalten. Können wir wohl die Teigwaren noch kochen? Lorin heckt noch auf dem Velo einige Pläne aus, wie wir zu Benzin kommen könnten. Ich schaue mich ein bisschen um und sehe einige riesige Wohnmobile, das beruhigt mich. Die haben ja sogar Abwaschmaschinen, Waschmaschinen, Mikrowelle etc. dort drin, falls wir mitten im Kochen kein Benzin mehr haben, dann werden die uns wohl eine Kochplatte für unsere Pfanne zur Verfügung stellen. Es kommt nicht soweit, unser Benzin wird ausreichen.

Zuerst aber nehmen wir alle ein Erfrischungsbad im Fluss. Mit einem bisschen Duschgel seifen wir uns ein und fühlen uns wie frisch geboren. Wir setzen uns an den Tisch und geniessen ein ganzes Pack Chips, zusammen mit kaltem Wasser. Wie wäre jetzt etwas Süsses oder ein Bierchen fein… Danach schreiben die Kinder ihr Tagebuch, ich beginne mit diesem Bericht und Ariane kümmert sich wie immer um die Ordnung im Zelt und in den Gepäcktaschen. Hier ist endlich einmal ein ganz grosses MERCI angebracht. Was würden wir wohl machen ohne ihren Ordnungssinn? Ich glaube wir wären immer noch in Portland und würden unsere Fahrradkleider suchen. Vielen, vielen Dank für das tägliche Auspacken, Einrichten, Ordnen, Einpacken und und und. Heute kommt noch dazu, dass sie unten am Fluss unsere Kleider wäscht. Sie sagt, sie komme sich vor wie Aschenbrödel im Film – nur ist es hier etwas wärmer…

Nun kommt wieder mein Part resp. Lorins. Er stellt den Kocher auf, macht Feuer und ich kümmere mich ums Kochen. Aber heute habe ich noch eine Idee um doch noch etwas aus den langweiligen und mit der Päckchensauce nicht wirklich hochstehenden Teigwaren aufzubessern. Ich packe den Geldbeutel und gehe zum nächsten „Big-Camper“, der seine grossen Kühlboxen vor seinem „Haus“ stehen hat. Er steht gerade am Grill und bereitet seine Hamburger zu. Ich grüsse ihn freundlich und zeige auf unsere Velos. Ich erzähle ihm, dass sich die Kinder so fest auf ein Süssgetränk gefreut haben und sie dann sooooo sehr enttäuscht gewesen sind, als sie gesehen haben, dass der Shop nicht mehr existiert. „Oh hell, yes!“ ruft er und öffnet die mit Eis und vor allem Getränkebüchsen vollgestopfte Mega-Kühlbox. Die ist sicher 1,5 Meter Breit und ziemlich Tief. Er nimmt zwei Büchsen aus dem Eis, schaut mich an wie ich auf die ca. 20 Flaschen Bier gaffe, lächelt und fragt „a beer?“ Oh, ich habe natürlich nicht damit gerechnet, sage ich ihm – aber seien wir ehrlich, ich habe es gehofft. Er reicht mir ein feines, eisiges Bier und fragt „you have a wife?“ Klar, sage ich verlegen. Ok, sie hat auch ein Bier verdient. Jetzt wird es fast peinlich, denn ich muss ablehnen und sage dass sie kein Bier trinkt. Oh well, ich habe hier noch ein Apfel-Cider, einen feinen, sauren Most. Was kann ich dir dafür geben, frage ich ihn. Er akzeptiere gar nichts von mir und ich solle einfach die Getränke und den Abend mit meiner Familie geniessen. Ich bedanke mich viel Mal und gehe mit einem breiten Grinsen und vollen Händen zum Zelt zurück. Ach, wie werde ich hier empfangen – mein breites Grinsen wird von drei lachenden Gesichtern erwidert. Wir geniessen die kalten Getränke mehr als die wirklich nur „geniessbaren“ Teigwaren. So schlimm ist es dann doch nicht, vor allem sind wir nach dem Essen alle satt. Nun sitze ich an einem Tisch unter einem grossen Dach, wo man sich bei schlechtem Wetter sehr gut am Trockenen halten kann und schreibe den Bericht fertig. Hier hat es auch Steckdosen, an welchen ich unsere gefühlte „zig“-Geräte auflade. Es ist ein windiger und sehr angenehmer Abend, die Temperatur ist einfach herrlich und der Himmel mit ganz leichten Schleierwolken überzogen. Und wieder geht ein schöner und erlebnisreicher Tag hier in den USA zu Ende. Wo wir morgen sein werden, das wissen auch wir noch nicht…