04.08.2015 Burlington – Lopez Island, ca. 50 km

Erst einmal ganz herzlichen Dank für die Emails und Gästebucheinträge, welche uns immer sehr fest freuen! MERCI, MERCI, MERCI! Wir können nicht immer alles beantworten, hoffen aber, dass ihr mit unseren Berichten weiterhin zufrieden seid…

Heute müssen wir für einmal unser Zelt nicht verpacken, so sind wir natürlich schneller auf der Strasse. Ok, so selbstverständlich ist es nicht, denn hier hat es wieder mehr Touristen unterwegs und auch solche aus Europa. Wir werden von Österreichern und Deutschen angesprochen und plaudern eine Weile lang über die speziellen Tandems und unsere Route. Nach ein paar Fotos verabschieden wir uns von ihnen und wollen uns auf den Weg machen.

Doch weiter vorne werden wir wieder von Deutschen, welche in der Schweiz leben, angesprochen. Die Familie ist seit 5 Wochen mit dem Camper unterwegs, zuerst durch Kanada und danach bis runter in den Yellowstone Nationalpark und nun wieder rauf bis hierher. Von Seattle nach Seattle mit einem kleinen Umweg, sozusagen. Wir geben ihnen unsere Website und Email Adresse und vielleicht hören wir in der Schweiz wieder von ihnen. Würde uns natürlich freuen…

Nun machen wir uns doch auf die bevorstehenden knapp 45 Kilometer. Wir wollen die 12.35h Fähre nach Lopez Island erwischen und darum müssen wir etwas streng in die Pedalen treten. Wir kommen gut vorwärts. Die Veloroute wird aus irgendwelchen Gründen umgeleitet, aber dank dem GPS Gerätchen an meinem Velo kommen wir ohne auf die grossen Strassen ausweichen zu müssen durch schöne Quartiere von Burlington. Auf der Weiterfahrt in Richtung Anacortes finde ich eine tolle Überlandstrasse ohne Verkehr bis wir dann doch noch auf die Nr. 20, den gleichen Highway welcher vom North Cascade Park her kommt, einbiegen müssen. Nun ist dieser Highway aber ein bisschen in die Breite gewachsen, es ist jetzt eine 4 spurige „Autobahn“. Doch mit dem breiten Seitenstreifen fühlen wir uns nicht unsicher – einfach immer laut ist es auf unserer linken Seite. Auf der rechten Seite sehen wir zum ersten Mal auf dieser Reise das Meer – wobei es sich eigentlich nur um eine Einbuchtung resp. um einen Seitenarm handelt. Das offene Meer ist noch weiter westlich – doch Salzwasser ist es alleweil. Immer wieder werden wir von anderen Velofahrern auf unsere Fahrräder und unsere Tour angesprochen. Wir wollen nicht unhöflich sein und geben geduldig und freundlich Antwort, andererseits läuft aber auch immer die Zeit. Die Fähre wird nicht auf uns warten. Wir bleiben cool und plaudern hier und da mit den einheimischen Radlern. Auch sehen wir auf der Fahre einen Seeotter im Wasser herum plantschen.

Auf einer langen Brücke der alten Eisenbahnstrecke, welche zu einer Fussgänger und Cyclist-Brücke umgebaut worden ist, fahren wir nach Anacortes. Vorbei an vielen Schiffswerften bei denen hunderte von Jachten rumstehen, erreichen wir die Einkaufsstrasse mit vielen Lebensmittelläden, Fast-Food-Imbissen und anderen Geschäften. Beim Safeway gehen Ariane und die Kinder für die nächsten zwei Tage einkaufen. Ich bleibe bei den Fahrrädern und werde natürlich sofort wieder in ein Gespräch verwickelt. Ein etwas ungepflegter, graubärtiger Seebär, welcher wahrscheinlich heute Morgen schon mal einen „guten Morgen Schluck aus der Flasche“ gehabt hat, interessiert sich für die Velos und unsere Reise. Drei bis vier seiner Hemdknöpfe sind nicht zugeknöpft, weil er es vergessen hat oder wahrscheinlicher weil sie durch seinen voluminösen Bauch abgerissen worden sind. Aber der Mann ist nicht etwa auf den Kopf gefallen, nein, er erzählt mir von seinen Reisen in den 60ern und 70ern. Ich glaube ihm jedes Wort, denn er erzählt von vielen Details z.B. in Paris, Versailles, Japan oder Spanien, über verschiedene Unesco Weltkulturstätten etc. Er hat auch das Gefühl, dass wir Schweizer hundert Mal cleverer sind als 90 % der Amerikaner. Seine Kenntnisse über die 4 Landessprachen der Schweiz katapultiert ihn sofort in die anderen 10 % Amerikaner.

Irgendwie habe ich das Gefühl, dass Ariane und die Kinder etwas lange im Laden sind. Noch immer wird die Fähre nicht auf zwei Schweizer Tandems warten. Nach gefühlten 30 Minuten kommen sie mit ein paar Säcken voll Essen und Trinken aus dem Laden. Das Eingekaufte muss jetzt noch auf die bereits überladenen Velos gepackt werden und so vergeht die Zeit. Hoffentlich haben wir auf den letzten 7 Kilometer zur Fähre keine Panne. Es kommt gut, wir fahren noch diesen und jenen Hügel rauf und runter und bald kommen wir beim Fähr-Terminal an. Wir kaufen unsere Tickets und 10 Minuten später können wir bereits auf die brandneue Fähre fahren. Tatsächlich ist diese Fähre erst gerade in Betrieb genommen worden, alles riecht noch sehr neu und ist sehr sauber. Wir gehen in den oberen Stock und essen erst einmal unser Riesen-sandwich, welches aus einem mindestens ½ Kilo Brot, wahrscheinlich 300 Gramm Roastbeef, Salat, Tomaten und Senf, Mayonnaise etc. besteht. Es ist schnell verdrückt, wir sind alle sehr hungrig. Als die Fähre ablegt, gehen wir aufs Aussendeck und geniessen die Aussicht auf die umliegenden Inseln. Eine wunderbare Überfahrt, irgendwo sehe ich einen Seehund, Lorin meint einen Wal oder Delfin gesehen zu haben und einfach die Landschaft ist wunderbar.

Auf Lopez-Island angekommen, kommen mir einige Erinnerungen in den Sinn. Vor ziemlich genau 18 Jahren sind Ariane und ich auch mit der Fähre hier angelegt. Dazumal beide einen Rucksack am Rücken und total ahnungslos was es auf dieser Insel wohl gibt, wie wir zum Campingplatz kommen oder was wir überhaupt hier machen wollen. Dazumal haben wir einfach den Daumen raus gestreckt und gehofft, dass uns jemand mitnehme würde. Tatsächlich hat uns eine einheimische Frau aufgeladen, uns jedoch nicht zum Campingplatz gefahren, sondern direkt zu sich nach Hause. In ein wunderschönes Haus am Strand, mit Kayaks, Fahrrädern und einfach einem tollen Garten mit Strand. Lorrie war dazumal daran, ein Buch zu schreiben über verschiedene Leute auf Lopez Island. Wir hatten ein paar wunderbare Tage in ihrem Haus, im Kayak auf dem Meer und auf dem Fahrrad auf der Insel verbracht. Danach hatten wir während ein paar Jahren noch Briefkontakt – Email gab es dazumal noch nicht, doch plötzlich ist der Kontakt abgebrochen. Und heute sagen wir uns, mal schauen ob Lorrie noch hier auf Lopez wohnt oder nicht. Bei der Poststelle stoppen wir und fragen nach ihr. Tatsächlich kennt man sie hier und wir sollen doch über die Strasse gehen, sie arbeite direkt dort drüben. Also gehen wir ins Altersheim vis-à-vis und fragen nach ihr. Uns wird gezeigt wo ihr Büro ist und wir gehen direkt darauf zu – aber leider ist niemand da. Sie ist die Leiterin dieser schönen Alterssiedlung, aber eben im Moment nicht im Büro. Wir gehen zurück zur Auskunftsperson von vorhin und fragen nach einer Teleonnummer. Die haben nur die Büronummer, aber keine Mobiltelefon-Nummer. Also zurück zur Post, wo uns die Postangestellte im Telefonbuch die Heimnummer von Lorrie ausfindig macht. Ich rufe dort an, irgend eine Männerstimme meldet sich und ich frage nach Lorrie. Oh ja, sie ist im Moment nicht auf der Insel, aber sie kommt mit der zehn nach fünf Fähre wieder zurück. Wir erhalten noch eine Mobil-Nummer, auf der ich aber niemanden erreichen kann.

Nun fahren wir halt mal über die Insel zum Campingplatz und schauen ob wir noch einen Platz erwischen. Ich habe nicht grosse Hoffnung, denn der vorhin gesehene Campground ist bereits voll. Beim Spencer Spit State Park sind die „Walk-in“-Plätze und der Hiker-Biker-Platz bereits vergeben. Nun drehen wir noch eine Runde auf dem normalen Campingplatz – und siehe da, wir haben Glück. Noch 1 Platz ist frei und den schnappen wir uns natürlich sofort. Wir stellen das Zelt auf und machen uns ans Kochen. Doch vorher versuche ich zum x-ten Mal Lorrie zu erreichen und siehe da, sie nimmt doch noch ab. Ich frage sie, ob sie sich an das Schweizer Päärchen vor 18 Jahren erinnere. Und sie kann es kaum glauben dass wir hier sind. Leider hat sie heute Gäste und kann uns nicht mehr sehen, aber sie lädt uns ein, morgen bei ihr ein Dessert essen zu gehen. Den ganzen Tag hindurch hat sie Meetings und entschuldigt sich schon mal dafür. Aber sie freut sich unheimlich, dass wir angerufen haben und dass wir uns sehen werden. So verlängern wir unseren Aufenthalt auf Lopez um eine weitere Nacht. Super, wir freuen uns.

Nach dem wunderbaren Pasta-Abendessen (als Sauce eine frische Zwiebel, Hackfleisch und Tomatensauce) gehen wir noch runter zum Strand, wo die Abendstimmung herrlich ist. Entlang des Sandstrandes spazieren wir auf und ab, die Kinder geniessen es, Muscheln zu sammeln und einige komische, tote Tiere zu bestaunen (meistens Krebse, aber auch Quallen). Wir geniessen es unheimlich hier ganz gemütlich zu spazieren und die Meeresluft zu atmen – herrlich! Auf dem Campingplatz werden wir auch schon wieder angesprochen und kurz später haben auch die Kinder bereits Kontakte geknüpft. Alani spricht ein bisschen mit einem ca. gleichaltrigen Mädchen über unsere Reise – herrlich wie sie sich im englischen versucht. Und gerade als wir ins Zelt wollen kommt eine Frau mit zwei riesigen Bechern Eiscreme zu uns. Sie hatten ein Dessert für ihre Gruppe und sie hat erfahren, dass hier unten eine Schweizer Familie mit ihren Fahrrädern ist. Hier ist noch was übrig – falls ihr nicht alles essen könnt, schmeisst es einfach weg. Wow, ein Becher Vanille-Eis wurde noch nicht geöffnet, der andere hat nur noch wenig Inhalt. Aber was ist wenig? Der volle Becher hat einen Inhalt von sage und schreibe 1,66 Liter Vanille-Eis. Somit haben wir ca. knappe 2 Kilogramm Eis für uns vier. Und falls wir nicht alles essen können… Gute Nacht, ich bin satt!