06.08.2015 Lopez Island – Oak Harbor, 47 km

Wir schlafen ein bisschen in den Tag hinein – 7.30h weckt uns der Wecker. Heute haben wir auch eine Fähre zu erwischen, doch bis 10.45h haben wir genügend Zeit alles zu packen und gemütlich zum Fährterminal zu fahren. In der Nacht stehe ich mal auf und ich höre einfach nichts, keinen Ton, keinen Vogel, keinen Bach, keine Autos, keine Flugzeuge – einfach nichts. Ich weiss nicht, wann ich das letzte Mal „einfach nichts“ gehört habe. Es ist sicher schon lange her…

Heute, wo wir uns nicht wirklich beeilen müssen, sind wir ziemlich schnell. Trotz Haferbrei und Peanutbutter/Konfi Brötchen brauchen wir nicht länger als 1 ¾ Stunden um den Campingplatz zu verlassen. Wir nehmen die Route dem Strand entlang und fahren bei der Familie Stauffer, den Burkharts und bei Affolters vorbei. Diese Namen lesen wir an den der Strasse entlang stehenden Briefkästen. Sind das wohl ausgewanderte Schweizer? Ein ziemlich steiler Anstieg wartet noch auf uns, zum Glück ist dieser nur sehr kurz – doch zum Schwitzen bringt er uns trotzdem. Wir sind bereits ¾ Stunden vor der Abfahrt der Fähre. Die Fähre, welche auf die anderen Inseln fährt ist noch an der Anlagestelle und es werden erst die Autos entladen. Eine Gruppe von Kindern mit Fahrrädern steht bereit zum Boarding, aber sie können noch nicht einsteigen. Alani hat in den letzten beiden Tagen ein Mädchen von dieser Gruppe auf dem Campingplatz kennen gelernt und sofort wird sie herbei gerufen und darf mit der ganzen Gruppe ein Spiel spielen. Schön wie schnell es geht und die Kinder Anschluss finden. Leider muss die Gruppe schon einige Minuten später auf das Schiff – schade, aber Alani hat vorher noch ihre Email- und Adressdaten ausgetauscht.

Die eine Fähre verlässt die Anlegestelle, die Andere kommt kurz darauf an um ziemlich viele Autos aus ihrem Bauch zu entladen. Wir erfahren, dass tatsächlich 120 Autos darauf Platz haben – unglaublich, denn die Fähren sehen nicht wirklich so gross aus. Wir gehen als erste aufs Schiff und wir sind auch fast als erste im kleinen Selbstbedienungs-Laden. Hier gibt es mal wieder einen grossen, heissen Kaffee, ein Sandwich und einen Muffin. Auf den Tischen sind überall verschiedene Puzzles aufgestellt, so dass man sich während der Überfahrt mit dem Zusammensetzen beschäftigen kann. Ariane und Lorin sind während der ganzen Fahrt damit abgelenkt. Ich gehe mal wieder raus und wieder rein, ich muss einfach die tolle Umgebung mit all den Inseln geniessen.

In Anacortes steigen wir wieder an Land und lassen erst einmal die Autos den Berg hinauf fahren. Danach haben wir freie Strasse, ein seltenes Bild von heute. Wir fahren direkt an der Küste, doch hier geht es rauf und runter – und nicht nur kurz und ein wenig, nein. Es steigt ziemlich heftig und wir schwitzen in der feuchteren Meeresluft sehr stark. Die Villen rechts und links an der Strasse lenken uns ein wenig ab, wir träumen von solchen Häusern und Aussichten – wär doch noch was… Momentan haben wir nicht allzu viel Verkehr, doch das ändert sich sehr schnell, als wir wieder einmal auf den Highway 20 müssen. Hier ist der Verkehr wirklich dicht und fast nicht auszuhalten. Doch hier müssen wir durch, es geht zur Deception Bridge, eine enge Brücke welche zur Whidbey Island führt. Wir haben etwas Bedenken dort drüber zu fahren, denn der Verkehr ist dicht. Bei einer kurzen Autopause machen wir uns auf und starten zur Überquerung. Wir machen uns so breit, so dass uns niemand überholen kann. Die Autofahrer sind meist geduldig und wir haben somit keine Probleme. Nach der Brücke stoppen wir auf dem Parkplatz, um noch einmal kurz auf dem Fussgänger-Weg zurück zu gehen. Es ist gewaltig, wie die Strömung unter uns durch zieht – und es ist nicht etwa die Strömung des Skagit-Rivers, nein, es ist die Strömung welche durch die momentane Ebbe-Phase verursacht wird. Unglaublich, da scheint die Aare geradezu ein stehender Fluss zu sein. Die Verkäuferin aus dem kleinen Verkaufsstand für Ausflugstouren kommt raus und stellt Alani einige Fragen. Ariane und ich sind ca. 30 Meter weit entfernt und amüsieren uns, wie sie beide miteinander sprechen. Wir wissen doch, dass Alani mit den Leuten sprechen kann, wenn wir nicht in der Nähe sind. Sobald wir in der Nähe sind, spricht sie leider nicht mehr mit den Leuten. Aber wenn wir nicht da sind, so macht sie das ganz gut.

Die Frau aus dem Verkaufsstand flippt ab unserer Reise fast aus und sie schiesst viele Fotos von uns. Sie schenkt den Kindern Postkarten und uns eine Velokarte. Die Fahrt geht weiter und zum Glück können wir schon bald auf eine Nebenstrasse, total ohne Verkehr ausweichen. Es geht die ganze Zeit auf und ab, wir schwitzen und obschon wir nicht sehr weit fahren, sind wir doch froh, dass wir schon bald das Ziel erreicht haben. Doch zuerst bestaunen wir noch die anfliegenden Militärjets, welche zur Landung auf dem Naval Army Center auf Whidbey ansetzen. Und kurz darauf stoppen wir bei einem Farmer-Laden, hier gibt es viel frisches Gemüse und frische Früchte und Beeren. Doch uns zieht vor allem der Waffelduft an, welcher für die absolut riesigen Waffel-Cornets bestimmt sind. Drei dieser Cornets bestellen wir. Der lädt so viel Glace in einen solchen riesen Waffelcorn, man könnte meinen die Portion ist für eine ganze Familie bestimmt. Bei uns würde man für den gleichen Preis nicht einen Viertel davon erhalten. Wow, schmekt das lecker!

So, und jetzt fahren wir noch auf dem letzten Abschnitt unserer Warmshower Familie entgegen. Alani sagt mir, Warmshowers müssen verdient sein. Und wie recht hat sie! Die Strasse ist ebenfalls nur rauf und runter und es dauert eine ganze Weile, bis wir endlich die Hausnummer welche wir suchen, angeschrieben sehen. Die letzten 200 Meter führen uns durch einen kleinen Wald und auf einer kleinen Lichtung steht ihr Häuschen. Taylor, der 13 jährige Sohn empfängt uns mit eiskaltem Orangen- und Grapefruit-Saft und hilft uns, unser Gepäck in den wohnlichen Keller zu tragen. Als erstes nehmen wir eine erfrischende Dusche, wir stinken ziemlich, nachdem wir nun seit 4 Tagen nicht mehr geduscht haben. Wow, tut das gut! Nach der Dusche ist auch Taylors Mutter, Anita, angekommen. Eine aufgestellte Frau, welche sich für alle und alles interessiert. Sofort fragt sie, ob wir hungrig sind, ein Bier wollen und die Wäsche waschen wollen. Natürlich haben wir viel Wäsche, super, dass wir nun endlich wieder saubere Kleider haben. Während Anita kocht, geniesse ich ein Bier, Ariane ein Glas Rotwein und dazu essen wir Früchte und Chips mit einer feinen Sauce. Auch Brombeeren gibt es, es sind die, die wir heute am Strassenrand gepflückt haben. So süsse Brombeeren habe ich schon lange nicht mehr gegessen. Und am Strassenrand kann man kiloweise von denen ablesen. Schade nur, dass man aufgrund der grossen Dornen nicht immer so gut dazu kommt.

Schon bald fährt Rob aus England auf seinem Fahrrad vor. Er ist heute auch ein Warmshower Gast und er ist auf dem Weg von Prudhoe Bay, ganz zuoberst in Alaska, bis nach Chile. Das absolut Lustige ist, dass er ein Velokurier T-Shirt aus Bern trägt. Er ist in Kanada zwei Schweizern begegnet, welche so fest Erbarmen mit seinen einfachen Kleidern hatten, so dass sie ihm ein Velokurier Bern Fahrrad-T-Shirt geschenkt haben. Rob ist ein cooler und sehr anständiger Typ und es ist lustig, wie fremd sein British English Akzent hier tönt.

Keith, der Mann von Anita und Vater von Taylor kommt auch bald nach Hause und bringt noch mehr Food. Er mixt kurz eine Backmischung zusammen und bäckt Brownies zum Dessert. Ich helfe noch ein bisschen Anita in der Küche während dem Keith sich nun um Arianes Augen kümmert. Er ist per Zufall Augenarzt und Anita hat ihm kurz mal eine SMS geschrieben, dass er ein paar Testlinsen mitbringen soll. Sie ist ja immer noch nur mit einer Linse unterwegs. So setzt sie nun eine Tageslinse ein und ist begeistert, wie gut sie wieder sehen kann. Unglaubliches Glück was wir wieder haben. Er hat eine Ration für ca. 5 – 6 Wochen mitgebracht und Ariane darf alle Linsen haben. Die sind nicht zum Verkauf gedacht, sondern für Leute die zuerst einmal Linsen testen wollen. Und so sind wir ohne Aufwand zu neuen Linsen gekommen – WOW!!! Lorin spielt mit Taylor draussen Fussball bevor sie rein kommen um ein Schachspiel zu machen. Cool, wie die beiden sich verstehen. Alani kümmert sich um die Katze und um den Hund, während wir Erwachsene ganz viel Erfahrungen austauschen.

Wir essen alle zusammen draussen auf der Terrasse, wo es nun schon ziemlich kühl ist. Aber es ist ein richtiges Festmahl und wir geniessen es sehr. Sie zünden noch ihr Gas-Campfire an und so setzen wir uns fürs Dessert (die feinsten Glacen…) an diese Wärmequelle und geniessen das Glace. Wir werden extrem verwöhnt und wir geniessen es total. Wo es morgen hin geht, das wissen wir noch nicht…

PS: ich habe die Bilder vom 31.7 und 1.8. aufgeschaltet, schaut sie euch an… Und bei den letzten paar Tagesberichten habe ich unsere Route eingesetzt. Jetzt aber muss ich schlafen – gute Nacht!